Unter Freunden des Aktienwesens gibt es den Begriff der Dienstmädchen-Hausse, die am Ende einer Hausse, also eines Börsenbooms, steht. Dienstmädchen-Hausse heißt: Auch kleine Leute, Dienstmädchen etwa, kaufen Aktien; selbst die Leute, die eigentlich kein Geld für Aktien haben, erwerben nun welche, weil sich bis zu ihnen herumgesprochen hat, dass man mit Aktien Geld verdienen kann. Folge: Alle Menschen im Land haben dann Aktien, keiner kann mehr welche kaufen, die Nachfrage geht nullwärts, die Kurse fallen, Aktienbesitzer verkaufen Aktien – Crash.
Allerdings ist dieser Begriff derDienstmädchen-Hausse überholt. Wo gibt es noch Dienstmädchen? Man müsste ihn ersetzen, durch Hacke-Hausse zum Beispiel: Am Ende eines Börsenbooms kommt der Punkt, an dem auch Axel Hacke Aktien kauft. Dann ist das Finale nah, denn immer, wenn ich Aktien erwarb, verloren sie in den folgenden Tagen unwiederbringlich ihren Wert.
Nun liest man in der Zeitung vom großen Goldrausch. Die Leute kaufen Gold wie verrückt, sie haben Angst vor dem Zusammenbruch, es geht nur noch darum, ob man besser Goldbarren, -münzen oder Anteile an -minen oder was weiß ich haben soll, Gold ist das Angstmetall, der Goldpreis ist längst durch die Decke gegangen.
Der Einzige, der kein bisschen Gold besitzt, bin ich. (Das heißt, mein Ehering ist aus Gold, sein Wert muss sich verhundertfacht haben seit unserer Hochzeit.) Dabei bin ich kein furchtloser Mensch, im Gegenteil, nur habe ich den richtigen Zeitpunkt versäumt, mir ein Barrenstapelchen zuzulegen. Und nun? Fachleute sagen, der Goldboom werde irgendwann in sich zusammenfallen, es werde einen Goldcrash geben sondergleichen. Aber wann?
Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass ich an dieser Stelle bekannt geben werde, wenn ich Gold kaufen sollte. Es wird ein Service für meine treuen Leser sein. Tun Sie dann, was getan werden muss. Bis es so weit ist, lesen Sie!
Apropos Lesen: Ist nicht erstaunlich, dass sich unter den zwanzig ersten Büchern in der Bestsellerliste zwei Werke befinden, in denen es ums Wandern geht, Ein deutscher Wandersommer von Andreas Kieling und Hartland von Wolfgang Büscher? Solche Erfolge haben ja Tradition, es gab Kerkelings Ich bin dann mal weg, davor gab es Büschers Deutschland – eine Reise, davor Büschers Berlin–Moskau, davor mal Michael Holzachs Deutschland umsonst, alles Fußreisen, und richtig weit davor gab es Johann Gottfried Seumes Spaziergang nach Syrakus, das war allerdings schon zu Zeiten Goethes, der übrigens bisweilen auch wanderte, aber was hätte Goethe nicht getan?
Jetzt sind es aber nicht nur diese beiden Bücher, sie sind bloß die Zehenspitzen ganzer Quadratlatschen von Wanderwerken, unter anderem vom Dauerwanderer Manuel Andrack.
Es erschien heuer auch Vom Wispern der Wälder und vom Wesen des Wanderns, es gibt Dem Leben auf den Fersen: Zu Fuß von Flensburg nach Rom, und dann hätten wir noch Zu Fuß. Aufbrechen. Grenzen überschreiten und Der Weltenwanderer Gregor Sieböck: Zu Fuß um die halbe Welt und Zu Fuß. Geschichten über das Gehen aus dem Promedia-Verlag und überhaupt nur Zu Fuß von Dirk Schümer, und dann wollen wir nicht vergessen, dass im September Indien zu Fuß erscheint und im Dezember tatsächlich Deutschland umsonst reloaded von einem Herrn namens Braun – bitte, lieber Rowohlt-Verlag, lass es nicht wahr sein, dass da das Wort reloaded steht! Möge dieses Wort schwer wie Blei sein, und möge es der Verlagsleitung auf die Füße fallen, es ist ja furchtbar!
Übrigens geht man nicht fehl in der Annahme, dass in ungefähr 75 Prozent aller Wanderwerke die Grundthese vertreten wird, wer wandert, der gehe »zu sich selbst«. Zweitens sieht man, wie gut unser Land auf die kommenden Katastrophen vorbereitet ist, wenn die Menschen im Schweiße ihrer Füße mit Taschen voller Gold nicht zu sich selbst, sondern zu Aldi und Rewe gehen müssen. Drittens möchte ich jetzt schon für die Zeit nach dem Währungsdesaster auf mein dann erscheinendes Werk Goldfuß. Auf Schusters Rappen durch die Weltwirtschaftskrise verweisen.
Illustration: Dirk Schmidt